Argumente
Pro und Kontra Nordring – Antworten auf die häufigst vorgebrachten Argumente für den Nordring
Uns ist aufgefallen, dass bei Nordring-Diskussionen mit Bocholter BürgernInnen zahlreiche Argumente, die pro Nordring vorgebracht werden, sich stark ähneln. Wir versuchen im Folgenden diese Argumente aus unserer Sicht/der Sicht der Bocholter Bürgerinitiative zu entkräften. Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass auch und vor allem angesichts der Klimakrise die Erhaltung der über Jahrzehnte gewachsenen Natur oberstes Prinzip bei allen Entscheidungen sein sollte. Wenn wir die Natur nicht bewahren, zerstören wir unsere eigenen Lebensgrundlagen.
Argument 1 für den Nordring: Wir brauchen den Nordring zur Entlastung des Verkehrs in den Wohnstraßen.
Aussage: „Wir wohnen direkt an den Schleichwegen! Wohnen Sie da mal! Wir wollen auch mal Ruhe haben!“
Argument 1 gegen den Nordring: Wir sind keineswegs blind und taub den Sorgen und Nöten der Mitbürger gegenüber. Wir wollen aber vorausschauend denken und nicht bei der üblichen Umverteilung von gleichbleibenden oder sogar anwachsenden Verkehrsströmen assistieren in einer Zeit, in der wir den Individualverkehr einschränken müssen, wenn wir als Klimakommune und als Menschen mit einer lebenswerten Umwelt nicht völlig abgehängt werden wollen.
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass der Bau neuer Straßen vielleicht kurzfristig eine Entlastung bewirkt, langfristig aber neuer Verkehr entsteht und nach einer gewissen Zeit sowohl auf den alten als auch auf den neuen Straßen zu viele Autos unterwegs sind.
Aus einem Zeit-Interview mit Professor Scheiner, Professor für Verkehrsplanung an der TU Dortmund:
„Wer Straßen baut, wird Straßenverkehr ernten. Besser ist es daher, das Straßenverkehrsnetz nicht auszubauen, sondern sich um dessen Erhalt zu kümmern – und Alternativen bereitzustellen. Wenn man Pendlern in Städten die Parkplätze wegnimmt, brauchen sie attraktive Alternativen wie ein gut ausgebautes Netz des öffentlichen Personennahverkehrs.“
https://www.zeit.de/mobilitaet/2019-10/verkehrswende-politik-auto-strassenverkehr-elektroautos-mobilitaet-joachim-scheiner/komplettansicht
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/2967.pdf (Hier insbesondere S. 46,47)
Das Umweltbundesamt stellte bereits 2005 fest, dass etliche Untersuchungen die verkehrserzeugende Wirkung des Straßenbaus eindeutig belegt haben und dass die Bundesverkehrswegeplanung den induzierten Verkehr lange ganz vernachlässigt hat.
https://www.autofrei.de/index.php/darum-autofrei/gerechtigkeit/2-uncategorised/74-induzierter-verkehr
Um sich, gut informiert, eine ausgewogene und zukunftskompatible Meinung bilden zu können, googeln Sie beispielsweise „Braess´- Paradoxon“, „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“ oder den Begriff „Induzierter Verkehr“.
Wir brauchen dringend eine Verkehrswende. Und diese Wende soll fair sein, fair zu möglichst vielen Bocholtern. Wir brauchen besser ausgebaute Radwege, einen regelmäßigen und flächendeckenden, bezahlbaren oder sogar kostenlosen Bus-Verkehr, mehr Schienenwege in alle Richtungen, mehr Car-Sharing, mehr Lastenräder. Wir können auch wieder öfter zu Fuß gehen.
Wir stellen uns vor, dass bestehende Straßen ausgebaut und Problemzonen so verbessert werden, dass ein Straßenprojekt dieser Größenordnung in unserer relativ kleinen Stadt mit sinkenden Einwohnerzahlen überflüssig wird. Am Beispiel der „Spange“ (Verbindung von Burloer und Barloer Weg): Statt die sauerstoffspendenden Bäume und Sträucher großflächig zu roden, um eine Verbindungsstraße samt zwei Kreisverkehren mit einem Durchmesser von 36 Metern mitten im Wohngebiet zu errichten, hätte eine Erklärung der vorhandenen Verbindungsstraßen zu Einbahnstraßen vollkommen ausgereicht!
Argument 2 für den Nordring: Wir brauchen den Nordring für die vielen Arbeitnehmer, die zur Erreichung ihrer weit entfernten Arbeitsstelle auf die neue Straße angewiesen sind.
Aussage: „Nee, nee, die können nicht alle mit dem Fahrrad fahren, die haben weite Wege vor sich!“
Argument 2 gegen den Nordring: Die Mobilitätsuntersuchung 2015 des Kreises Borken hat ergeben, dass 7 von 10 Fahrten innerhalb der eigenen Stadt durchgeführt werden, d. h. auch mit dem Rad leicht zu bewältigen wären. Auf Seite 4 des Abschlussberichtes ist zu lesen:
„Über 60% aller Wege sind nur bis zu 5 km lang. Sie bieten daher ein großes Verlagerungspotenzial in Richtung des Umweltverbundes (vor allem Rad- und Fußverkehr). 35% der Wege zwischen 1-2 km und 55% der Wege zwischen 2 und 5 km werden mit dem Auto als Fahrer oder Mitfahrer unternommen.“ Abschlussbericht der Mobilitätsuntersuchung 2015
Wir müssen den Individualverkehr nicht gleich abschaffen, wir sollten ihn aber auf nötige Wege reduzieren: für ältere Leute, Menschen mit eingeschränkter Mobilität, zum Transport von größeren und schweren Mengen, zur Bewältigung längerer Strecken. Aber nicht für die kurzen Wege zum Bäcker um die Ecke! Wenn jede/r von uns das Auto im Hinblick auf kurze Wegstrecken stehen lässt, zu Fuß geht, den Bus oder das Rad/E-Bike wählt, ist bereits eine erhebliche Reduktion des Verkehrs zu erreichen! Hier wäre ein flächendeckender und kostengünstiger öffentlicher Nahverkehr sowie eine sichere Unterbringung der E-Bikes in der Stadt zu gewährleisten.
Argument 3 für den Nordring: Die gegenwärtige Verkehrssituation gefährdet Kitazugänge und Schulwege.
Aussage: „Unsere Kinder sind durch die vorhandenen Straßen an jedem Morgen und an jedem Nachmittag extrem gefährdet, wir brauchen den Nordring unbedingt.“
Argument 3 gegen den Nordring: Ja, solange viel zu viele Menschen zum Auto als Transportmittel greifen, ist das richtig, aber eine neue Straße trägt nicht zur Problemlösung bei. Durch den Nordring wird sich das Verkehrsaufkommen insgesamt erhöhen siehe: „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“
Zudem verlagert sich das Problem auf andere Schulbereiche und zieht somit die potentielle Gefährdung vieler anderer Kinder nach sich, beispielsweise am Euregio-Gymnasium, der Hohen-Giethorst-Schule, der Bischof-Ketteler-Schule, der Clemens-Dülmer-Schule und auch den Kindergärten der AWO an der Markgrafenstraße, dem heilpädagogischen Kindergarten an der Horststraße, dem DRK-Kindergarten, der vorübergehend in Containern untergebracht ist.
Wir können uns hier doch einig sein: Es geht nicht darum, die Gefahren zu verlagern, sondern sie insgesamt für alle zu reduzieren.
Argument 4 für den Nordring: Der Nordring ist Voraussetzung für die Erschließung neuer Grundstücke, die dringend benötigt werden.
Aussage: „Viele junge Familien mit Kindern brauchen unbedingt Bauland. Durch den Nordring könnte schnell neues Bauland erschlossen werden.“
Argument 4 gegen den Nordring: Eine Fertigstellung des Nordrings hat zur Folge, dass auch LKWs durch die Innenstadt fahren. Insgesamt wird prognostiziert, dass täglich 16.000 Autos den Nordring befahren werden.
Dies bedeutet: Junge Familien werden in direkter Nähe zu einer großen, vielbefahrenen Straße wohnen. Sie werden ihre Kinder vor erhöter Unfallgefahr schützen müssen. Die Kinder sind verstärkt dem Feinstaub ausgesetzt. Gerade sie befinden sich mit ihren Nasen noch ziemlich nah über dem Boden. Der Lärm schädigt die Gesundheit aller. Warum wird nicht mit mehr Zeit und Umsicht geplant?
Neue Baugebiete können auch auf anderem Wege und an anderer Stelle erschlossen werden. Es muss nicht ausgerechnet ein 70 Jahre alter Naturpark dafür weichen, der uns einen zunehmend wertvollen Ausgleich zum rasant wachsenden Versiegelungswahn garantiert.
Außerdem kann die Planung autofreier Siedlungen – wie schon auf dem Kubaai-Gelände – zu einer Steigerung der Lebensqualität in diesen Siedlungen führen.
Nicht den Autos soll mehr Raum gegeben werden, es sind die Menschen und ihre Lebensqualität, um die es hier gehen muss!
Gerade junge Menschen verstehen immer mehr, worum es wirklich geht: Nämlich ihre lebenswerte Zukunft in einem heilen Umfeld. Sie sind tendenziell wesentlich weniger Auto-orientiert als die Älteren, vor allem dann, wenn Alternativen zum eigenen Auto vorhanden sind wie z. B. Car-sharing, gut ausgebaute Radwege, ein eng getakteter ÖPNV (siehe S.22 des „Kurzreport“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, September 2019)
Auch sie wollen Familien gründen und Raum haben, gleichzeitig aber die Natur schützen und erhalten. Jede weitere unnötige Straße verbaut atmendes Land und somit ein Stück Zukunft. Wenn demnächst auf dem Land neue Baugründe erschlossen werden, dann muss auch, wie früher, die Einbeziehung der Natur gewährleistet sein. Große Bäume dürfen nicht einfach blind geopfert werden! Wir müssen sie respektieren und ihnen für ihre Existenz dankbar sein, sie in unsere Planungen einbeziehen, eventuell um sie herum bauen und ihnen den nötigen Raum geben, damit sie zum Wohle aller gedeihen und uns in einer Zeit des Wandels schützen können.
Argument 5 für den Nordring: Das Bocholter Krankenhaus benötigt dringend eine bessere Verkehrsanbindung, um die Kranken und Verletzten schneller dorthin transportieren zu können.
Aussage: „Für Rettungswagen ist kein Durchkommen, die Kranken und Verletzten werden in den Kreisverkehren hin und her geschleudert.“
Argument 5 gegen den Nordring: Der Nordring garantiert kein schnelleres Vorankommen! Er wird eine Straße mit der Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h sein. Auf dem Weg zum Krankenhaus wird es vom Nordring aus auch Kreisverkehre geben.
Statt eine neue Straße zu bauen, können die bisher benutzten Straßen auf dem Weg zum Krankenhaus ausgebaut werden. Einige Straßen, die zum Krankenhaus führen, könnten mit Parkverboten für Autos versehen werden, damit man auf ihnen schneller vorankommt.
Ein ausgeklügeltes Park+Ride-System, sowie ein eng getakteter öffentlicher Nahverkehr, könnte Besucher und eventuell auch am Krankenhaus Beschäftigte dazu bewegen, ihre privaten Fahrzeuge nicht zu benutzen bzw. weiter vom Krankenhaus entfernt zu parken. Viele Bocholter nutzen die Möglichkeit bereits, samstags kostenfrei mit dem Bus in die Stadt zu fahren.
Argument 6 für den Nordring: Diejenigen, die nach seiner Fertigstellung unmittelbar am Nordring wohnen werden, haben entsprechend günstig ihre Grundstücke erworben.
Aussage: „Es ist unfair, dass die Leute für die Grundstücke weniger bezahlt haben und nun auch noch profitieren dürfen. Sie wussten, dass die Straße kommen würde, jetzt sollen sie auch dafür einstehen!“
Argument 6 gegen den Nordring: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Es geht um etwas Übergeordnetes und nicht um persönliche Interessen. Es geht um unser aller Wohl. In den Zeiten der Klimaerwärmung, die wir alle schon zu spüren bekommen haben, ist jede versiegelte Fläche eine versiegelte Fläche zu viel! Wer im Hochsommer über eine Straße oder einen Parkplatz geht, spürt augenblicklich den Anstieg der Hitze. Die Menschen, die noch echte Gärten pflegen, tun dies für sich und für uns alle. Jeder Baum, der nicht gefällt wird, steht für uns alle an seinem Platz. Das Geld-Argument wird aufgewogen durch das Geschenk, das die Natur jedem von uns macht. Sie nimmt weder Eintritt noch fordert sie Entschädigungen für das, was wir ihr nachlässigerweise antun.
Argument 7 für den Nordring: Wenn Bäume für den Straßenbau gefällt werden müssen, sorgt die Stadt für Neuanpflanzungen.
Aussage: „Wir haben doch so viele Bäume, da können wir doch den einen oder anderen fällen. Große Bäume machen eh nur Dreck und den Asphalt kaputt. Man kann ja neue Bäume pflanzen, die sind dann kleiner und besser beherrschbar.“
Argument 7 gegen den Nordring: Wenn die letzte innerstädtische grüne Lunge Bocholts dem Nordring weichen muss, bedeutet dies einen unumkehrbaren Eingriff in ein intaktes Ökosystem. Ein junger Baum kann bei weitem nicht so viel CO2 aufnehmen wie ein alter. Ein junger Baum kann nur einem winzigen Bruchteil von Tieren Obdach und Nahrung, geschweige denn irgendwem Schatten geben. Die für eine Stadt unverzichtbaren Straßenbäume sind oft in zu kleine Pflanzlöcher gesetzt. Um sie herum und unter ihnen muss mehr Platz sein, damit sie überleben und sich und uns schützen können. Sie werden durch ihre unfreiwillige Nähe zum sich im Sommer stark aufheizenden Asphalt sehr belastet, versuchen aber, falls sie in einer Allee gepflanzt sind, sich gegenseitig zu unterstützen, indem sie kühlenden Schatten verteilen und sich in den Kronen zusammenschließen. Inzwischen wird bekannt, dass sie auch miteinander kommunizieren. Ein bretonischer Bauer dazu: „Alte Bäume halten für uns den Himmel fest, damit er nicht wegfliegt und uns ungeschützt stehen lässt. Darum muss jeder Mensch große Hochachtung vor den alten Bäumen haben.“ Wer alte Bäume nicht achtet, weil sie „Dreck machen“, hat etwas Wesentliches nicht verstanden.
Der induzierte Verkehr ist – neben dem Eingriff in die Landschaft – die wichtigste Wirkung des Straßenbaus. http://www.verkehrswissenschaftler.de/berichte/bericht_2.htm